Wenn die Zeiten düster sind, lacht man, um sich unter den Unteren Mut zu machen, über sie und ihre Protagonisten. Letztere, die Oberen, lachen überheblich wie damals die Sklavenhalter, wenn man vom Ende der Sklaverei sprach, als wäre man verrückt. Dieses Tauziehen darüber, welches Selbstverständnis von Menschsein zuletzt lachend siegt, hat nie aufgehört. So soll es erlaubt sein, auch ernst über Lustiges zu sprechen.
Auf Linie zu sein, bedeutet, mit den Autoritäten auf Linie zu sein: gleichgeschaltet. Es bedeutet, das Bestehende für mehr oder minder natürlich zu halten, für Normalität und Notwendigkeit, kurz, die Staatlichkeit – für einen Ausdruck allgemeiner Vernunft. Wie bei Hegel ist folglich das, was vernünftig ist, auch wirklich, und umgekehrt. Hegelianisch hier auch die Illusion, der Staat sei ein unparteiischer Richter über den Klassen. Dabei ist er ein nach oben ausgerichteter Machtapparat, klassisch gesagt, ein Klassenstaat.
Die Spitze dieser Pyramide – samt allen, die meinen, dort hinzugehören – feiert sich selbst stets ab. Es liegt in der Natur der Sache. Wenn aber das Zelebrieren der Angepasstheit gefühltermaßen zur Selbstbeweihräucherung und Schauprozessstimmung führt und, von der Gesinnung her, eher an einen Mob auf Hexenjagd erinnert als an bürgerliche Kultiviertheit, dann liegt kein Zufall vor. Dünn ist die Fassade der Zivilisation, und sie bröckelt, sobald man Anpassung mit Verstand gleichsetzt, denn der Umkehrschluss, dass die Unangepassten wohl keinen hätten, ist in dem Fall gefährlich nahe und gar nicht so unwahrscheinlich.
In Wirklichkeit hat eine besitzende Klasse aufgehört, bleibende kulturelle Werte zu schaffen, wahrlich zur Weltkultur beizutragen, positiv Geschichte zu schreiben, geschweige denn, die Bedürfnisse der Mehrheit angemessen zu befriedigen oder das Leben mit Sinn auszustatten. Ihre klassentypischen Antworten auf die großen Fragen der Gegenwart sind klein, schief und unbefriedigend. Von daher auch die spürbare Explosion von Aufruhr in der Gesellschaft, von intuitiver Ablehnung und bewusstem Dissens. Als Trägerin der Kultur hat jene Klasse, wiewohl weiterhin wichtig, dennoch ausgedient. Sie hat ausgedient angesichts der Höhe der Entwicklung der Produktivkräfte, all der Hallen, Maschinen, Computer, Software, Roboter und dergleichen, angesichts des gestiegenen Grades der Vergesellschaftung der Arbeit. Dies ist nur einer der Gründe, warum viele Menschen – insbesondere seit „Corona“ – das Patentrecht auf Erfindungen überhaupt nicht mehr nachvollziehen können und als Verletzung ihres moralischen Empfindens erleben. Die Oberen schützen nur ihre Eigentumsrechte und lehnen darum deren Hinterfragung strikt ab, sogar als Idee.
Diese halbwegs gebildete Klasse nun – gebildet im Sinne von Distinktionsmerkmalen, die verraten, dass man zu ihr gehört – scheitert einerseits darin, auf dem besagten, hohen Entwicklungsstand ihre Notwendigkeit als Lenkerin der Geschicke zu rechtfertigen. Ihre Fehler häufen sich. Kaum kompetent beim sozialen Ausgleich, ist sie vermehrt nur bei Sinnlosem und Luxusproblemen produktiv. Andererseits ist sie immer weniger imstande, weiterhin selber Wissen hervorzubringen, um einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis von Phänomenen zu leisten. Stattdessen produziert sie unter den Massen mit ihren weitaus akuteren Sorgen mehr und mehr Ablehnung, Reaktanz, eine erste Negation des Bestehenden, angefangen mit innerlich negierten Spielregeln. Die Identifikation mit dem Ganzen wird plötzlich zur Pein.
Was bei jener geschichtlich altersschwachen Klasse – immer unaufmerksamer im Verwalten von Dingen, immer herablassender im Herrschen über Menschen – bleibt, ist eine Gehässigkeit zum Selbstschutz, gewürzt mit einer Prise schwachen, toxischen Humors. Diese Art von Humor ist falsch in der Hinsicht, dass es sich hier nicht um gesunde Anteile intellektueller Verspieltheit handelt, die durch Zusammenschau, Überraschungsmomente und das befreiende Loswerden sonst unaussprechlicher Wahrheiten punkten, sondern um versteckten Sadismus, der sich in der Gleichschaltung humorig einkleidet. Die scheinbar lustige Verkleidung dient dazu, um sich als Einzelner und als Gruppe vor dem inneren Leidensdruck zu schützen, der mit dem Eingeständnis einer sadomasochistischen Symbiose mit den Autoritäten, auch staatlichen, einhergehen würde.
Wenn man wie Freud den Humor vom ökonomischen Aspekt her betrachtet, zeigt sich in der jeweiligen Weise der Witzelei, ob sie evolutionär gesund ist, dort, wo sie die gesellschaftliche Wirklichkeit, das Leben, seine Schwachstellen, Widersprüche und Verrenkungen analytisch einfängt – oder ob sie eher zivilisationskrank ist, oberflächlich, halb wahr und entwertend, wie dort, wo sie dieselbe Wirklichkeit falsch nachzeichnet, verflacht abbildet und ganz ohne Analyse des Gegebenen auskommt. Im letzteren Fall erspart, versteht sich, so ein irregeleiteter Humor den Gefühlsaufwand, die Gesellschaft und sich selbst infrage zu stellen, zum Beispiel, indem man getrost auf des Kaisers neue Kleider hinweist. Freudig zu sein wie eine Rotte, ist leider oft leichter.
Offenbar hat die früher bürgerlich genannte Klasse, vom akademisch gebildeten Angestellten bis zum Börsenspekulanten ohne Erziehung des Herzens, es verlernt, Kultur für alle – bitte nicht gleichzusetzen mit Massenunterhaltung und Kulturindustrie! – überhaupt noch zu ermöglichen. Entsprechend reagiert sie auf ihre eigene Überflüssigkeit entweder mit Neurosen und Oblomowerei oder mit spaßiger Süffisanz und schlechter Satire. Weil keinerlei organisierte Arbeiterschaft oder geschichtlich relevante, revolutionäre Bewegung ihr zusetzt, kann sie es sich als Klasse indes leisten, abzuwinken mit einem „Pfff!“ und instrumentell alle, die am Wahrheitsministerium zweifeln, öffentlich auszulachen. Sprich, sie greift zur Stigmatisierung, die die beste aller Garantien darstellt, dafür, auch in Zukunft keine korrigierenden Erfahrungen zu machen.
Wird erst einmal der Spaß beiseitegeschoben und Ernst gemacht mit der Forderung nach materieller Demokratie, modernem Sozialismus, globaler Gütergemeinschaft, nach geschichtlich sinnvolleren, fortschrittlicheren, freieren Formen von Koexistenz, ändert sich alles. Wird die staatstreue Klasse am Werkeln beizeiten ihrer zivilisatorischen Hinfälligkeit überführt und von der Mehrheit als Störfaktor für weiteren Fortschritt wahrgenommen, merkt man rasch, was für ein rechtes Reservoir die Mittelschichten verkörpern. Im Nu werden sie, all ihren liberalen Beteuerungen zum Trotz, methodisch just zu jenen Rechten, von denen sie sich gerne abheben würden. Weil sie sich selbst beweisen wollen, dass sie doch in der Geschichte noch einen Auftrag hätten? Die einzige Kultur, die sie retten wollen, ist ihre eigene Leitkultur, die parfümierte Unkultur, eine Mischung aus Moralismus und Mobbing.
Über den Autor

Mladen Savić
Mladen Savić (Munja) ist Schriftsteller, Lohnsklave, Journalist und Philosoph. Sein letztes Buch, publiziert im Drava-Verlag, hieß "Narrenschiff auf großer Fahrt". Seine Beiträge erscheinen unter anderem in: Literatur und Kritik, Versorgerin, Neues Deutschland, KAZ, und anderswo.